Pankow gegen Verdrängung

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Geschichten zum Thema Verdrängung in Berlin Pankow und Prenzlauer Berg

Was ich mir von der Politik wünsche

Von Mascha, seit 2002 in Pankow

Ich heiße Mascha und wohne seit 22 Jahren in der Neuen Schönholzer 16 im Florakiez. Viele Nachbarn sind mir vertraut, weil sie auch schon lange hier im Haus wohnen. Manche zehn oder fünfzehn Jahre, manche genauso lang wie ich.

Unser Haus

Wir sind zusammengewachsen. Früher haben wir im Hof gegrillt oder im Garten Feuer gemacht. Gerade als die Kinder noch klein waren. Meine Tochter ist hier aufgewachsen. Und natürlich haben wir uns auch um die alte Kastanie, die von der Miniermotte stark angegriffen ist, gekümmert, die Blätter aufgesammelt, Fallen aufgestellt. Wir kennen uns alle. Irgendwann, wenn man 20 Jahre nebeneinander wohnt, dann kennt man sich einfach und hilft sich auch. Also, wie es halt ist, mit Blumen Gießen, wenn man im Urlaub ist. Oder man holt sich mal ein Ei.

Neulich hat sich eine Nachbarin ausgesperrt, dann ist mein Mann gekommen, um ihr zu helfen. Dann kam eine weitere Nachbarin. Da standen wir dann zu viert, stundenlang, und probierten alles mögliche. Irgendwann klappte es und die Tür ging auf.

Unter uns die Familie hat drei Kinder, die ich von klein auf kenne. Oder das alte Ehepaar im dritten Stock, der Mann ist schon über achtzig. Es ist schön, wenn man die Leute alle kennt, was fragen kann, wenn man sich trifft, auch wenn wir nicht alle eng befreundet sind.

Drohende Eigenbedarfskündigungen

Unser Vermieter gehört zu einer Eigentümergemeinschaft, der das Haus gehört. Ich glaube, ich habe einmal vor fünfzehn Jahren mit ihm telefoniert, da ging es um den Herd, und dann habe ich nie wieder etwas von dem gehört. Es läuft eigentlich immer alles über die Hausverwaltung. Im Vorderhaus ist die Sozialbindung schon ausgelaufen, bei uns im Hinterhaus läuft sie dieses Jahr im Mai aus. Das Haus ist, schon bevor wir dort eingezogen sind, parzelliert worden. Daher gibt es keinen Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. Es war uns also von vornherein klar, dass es so ist, und natürlich haben wir Mieter besonders im Hinterhaus schon darüber gesprochen und überlegt, was jetzt passieren wird und dass die Miete wahrscheinlich erhöht wird, auch, weil jetzt die Flugzeuge aus Tegel weg sind.

Über die Hausverwaltung habe ich bei meinem Vermieter angefragt, ob er besondere Pläne mit der Wohnung hat, das war letztes Jahr im Mai. Per Mail wurde mir von der Hausverwaltung, die ihn kontaktiert hat, mitgeteilt, dass, er darüber nachdenkt, uns auf Eigenbedarf zu kündigen. Nach 22 Jahren und ohne, dass man mit uns gesprochen oder uns darauf irgendwie vorbereitet hat.

Alles fühlt sich plötzlich fremd an

Die erste Zeit, nachdem ich diese Nachricht erhalten hatte, konnte ich nicht schlafen. Pankow ist meine Heimat geworden. Die Wohnung ist der Ort, an dem ich die längste Zeit meines Lebens verbracht habe. Es war schlimm, richtig schlimm, das mit der Kündigung zu hören. Ich konnte nicht schlafen, nicht essen. Ich habe auch die Beziehung zur Wohnung verloren. Alles fühlt sich plötzlich fremd an, von außen bestimmt.

Jetzt geht es langsam. Es passiert in Wellen. Mal geht es besser, mal schlechter. Dadurch, dass ich mich engagiere, bei Pankow gegen Verdrängung, geht es mir ein bisschen besser damit.

Ich warte jeden Tag auf ein Schreiben des Vermieters und auf das, was dann da drin steht. Ich habe die anderen Nachbarn gefragt, sie wissen auch noch nichts. Bei meiner Nachbarin über mir war der Vermieter schon da und hat sich umgesehen. Als sie nach seinen Plänen für die Wohnung fragte, war die Antwort, dass er vielleicht selber einziehen wolle. Eine Familie hat es tatsächlich geschafft, ihre Wohnung selber zu kaufen. Aber das ist schon viele Jahre her. Die anderen haben genauso wie wir nicht das Geld dafür.

Was ich mir von der Politik wünsche

Was ich mir von der Politik wünsche, ist, dass es mehr Schutz gibt für Mieter. Dass man nicht einfach, wenn man jetzt plötzlich meint, seine Tochter müsste dort einziehen, Leute, die seit zwanzig Jahren in einer Wohnung wohnen, die ihr Zuhause geworden ist, plötzlich raussetzen kann. Dass so was möglich ist! Dass das erlaubt ist! Ich würde mir von der Politik wünschen, dass das gesetzlich unterbunden werden kann. Und ich verstehe auch nicht, wie sich Politiker das mit den Sozialbindungen, die dann auslaufen, ausdenken konnten. Haben sie sich nicht die Frage gestellt, was dann mit den Mietern ist, wo wir dann hin sollen? Damals war es vielleicht nicht klar, wie sich die Mietensituation in Berlin entwickelt. Aber die Situation von heute war absehbar. Und die Politik hat, nach dem, was ich mitbekomme, nichts getan. Die haben das einfach so laufen lassen. Und das ist traurig.

April 2024

(Die Geschichte ‚Was ich mir von der Politik wünsche‘ von Mascha wurde aufgeschrieben von der Gruppe ‚Geschichten sammeln‘ von Pankow gegen Verdrängung.)

 

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