Pankow gegen Verdrängung

Wir bleiben in Pankow!

Krisengipfel-AG3

Arbeitsgruppe Dauerhafte Sozialbindungen

Die AG 3 hatte zum Ziel, das Problem der auslaufenden Sozialbindungen in den Blick zu nehmen. Die Art der Förderung, dass Eigentümer:innen für die Sanierung ihres Eigentums staatliche Gelder bekommen und dafür nur temporär zu Mietpreis- und Belegungsbindungen verpflichtet wurden, führt zu dem aktuellen Dilemma der auslaufenden Bindungen. Die AG hat vor dem Hintergrund sowohl die Verwaltung als auch Experten gefragt, wie dieses Problem im Sinne der Mieter:innen gelöst werden kann. Dabei wurden zwei Instrumente betrachtet, die der Politik zur Verfügung stehen,  um dauerhafte Bindungen zu schaffen: 1. das Förderrecht und 2. das öffentliche Recht. Dazu eingeladen war die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung, der Rechtsanwalt und Vorsitzende des Berliner Mietervereins Dr. Rainer Tietzsch, sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete aus dem Bezirk Pankow Klaus Mindrup (SPD). In der AG wurde dabei auch beleuchtet, was kann und sollte auf Bundes- und auf Landesebene passieren. Umfassendes Material wurde den Teilnehmenden vorab zur Verfügung gestellt.

Folgende Punkte wurden diskutiert:
1. Die Senatsverwaltung macht deutlich, dass sie keine Möglichkeit sieht, die Sozialbindungen einseitig zu verlängern. Sie sieht keine staatlichen Handlungsmöglichkeiten außer den Eigentümer:innen finanzielle Anreize anzubieten, damit sie erneut Bindungen annehmen. Dabei konzentriert sich sich auf den förderrechtlichen Aspekt und stellt in den Raum, dass sie ein neues Förderprogramm für Modernisierung auflegen wird und äußert die schwache Hoffnung, dass Eigentümer:innen vereinzelt solche Förderung in Anspruch nehmen könnten und im Gegenzug diese Wohnungen dann wieder für einige Zeit sozial gebunden sein würden.

2. Klaus Mindrup fordert eine grundsätzliche Neuausrichtung der Wohnungspolitik. Eine zukünftige Wohnraum-Förderung solle auf Dauer angelegt sein und darüber müsse endlich breit öffentlich diskutiert werden. Das Beispiel Österreich und vor allem Wien zeige, dass eine Kombination von städtischen und gemeinnützigen Trägern sinnvoll sein kann, in Pankow zeige sich, dass Genossenschaften einen bedeutenden Beitrag zu dauerhaft bezahlbarem Wohnraum auch nach Auslaufen der Belegungsbindungen schaffen können.
Das Land Berlin solle nach dem Beispiel von Hamburg und München die Vergabe von landeseigenen Grundstücken und Förderungen nur noch in Verbindung mit langfristigen Bindungen vornehmen. Wichtig seien auch die Einführung eines Transparenzregisters und entschiedenes Vorgehen gegen Zweckentfremdung (aktuell schon rechtssicher bei Ferienwohnungen möglich, Vorgehen gegen überteuerte möblierte Vermietung müsse entschiedener angegangen werden).

Im Bund sei eine rechtliche Definition von Mietwohnungen, verbunden mit dem Ausschluss von Spekulation/Eigenbedarfskündigungen nötig. Auch sei die Verlängerung der Fristen in § 250 BauGB dringlich, um Missbrauch und Spekulation zu bekämpfen.

3. Dr. Rainer Tietzsch konzentriert sich auf den ordnungsrechtlichen Teil der politischen Handlungsmöglichkeiten. Er erklärt, dass das Land Berlin die Möglichkeit hat, das Wohnungswesen umfassend zu regeln. Das ist spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel klar geworden. Das Land Berlin hat damit die Möglichkeit, ein Gesetz zu erlassen, das vorschreiben kann, dass ein bedeutender Teil des Wohnungsmarktes öffentlich-rechtlich geregelt ist, das heißt, dass auch ohne Förderung Belegungsbindungen festgeschrieben werden können. Solche Belegungsbindungen sollen mit Miethöhen einher gehen, die unterhalb der Ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Arbeitsgruppe hatte im Vorfeld darauf hingewiesen, dass ein solcher Vorschlag bereits auf einem SPD-Parteitag 2021 beschlossen wurde (https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/handlungsmoeglichkeiten-nutzen-verdraengung-und-spekulation-eindaemmen-und-einen-sozialen-wohnungsmarkt-erhalten/). Unter dem Stichwort „Berliner Wohnraumsicherungsgesetz“ fand dieser Vorschlag sogar einen Weg in den aktuellen Koalitionsvertrag.

Diskussion:
Die Vertreter der Verwaltung hatten auf Nachfrage von einen Wohnraumsicherungsgesetz noch nichts gehört und konnten nur mitteilen, dass ein solches Gesetz nach ihrer Kenntnis nicht in Arbeit sei. Auf dem Abschlusspodium hat zumindest der politsch Verantwortliche Staatssekretär Machulik die Arbeit an einem solchen Gesetz bestätigt.

Fazit der AG Vorbereitungsgruppe:
Die Arbeitsgruppe ging mit der vagen Verabredung auseinander, dass die Senatsverwaltung ja eventuell einen Vorschlag der öffentlich-rechtlichen Regelung prüfen würde, wenn er denn auf dem Tisch läge. Die Entäuschung über die mangelnde Bereitschaft der Verwaltung, politische Instrumente zum Schutz der Mieter:innen zu entwickeln war deutlich zu spüren. Da jedoch keine politschen Entscheidungsträger:innen anwesend waren, konnte auch von der aktuellen Regierung kein Signal gegeben werden, dass man hier ernsthaft interessiert ist, das Problem anzugehen und das Wohnungswesen zu regeln.

Die Forderung der Vorbereitungsgruppe an die Berliner Landespolitik ist, mit dem Berliner Wohnraumsicherungsgesetz dauerhafte Belegungsbindungen festzulegen. Der politische Wille muss allerdings noch deutlicher erkennbar werden.

 

Anhang: Material der Vorbereitungsgruppe AG3
Zitatsammlung  relevanter Stellen:

Landeskompetenz für das Wohnungswesen
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 25.03.2021 zum MietenWoG Berlin (zum sogenannten Mietendeckel) zwar dieses Gesetz verworfen, aber andererseits die Zuständigkeit der Länder für das Wohnungswesen grundsätzlich bestätigt, und im Falle einer umfassenden Regelung auch Überschneidungen mit dem bürgerlichen Recht, insbesondere dem Vertragsrecht für rechtmäßig angesehen:

Rn. 114: …Regelungen über die zulässige Miethöhe können den Anspruch aus § 535 Abs. 2 BGB an eine Reihe von prozeduralen und materiell-rechtlichen Anforderungen binden. Knüpfen sie jedoch an einen privatautonom geschlossenen Mietvertrag an, in dem die Auswahl des Vertragspartners, der Gegenstand des Mietverhältnisses, seine Dauer und – in den gesetzlichen Grenzen – die Höhe der Miete das Ergebnis grundrechtlich geschützter Entscheidungen der Vertragsparteien sind, sind sie auch dann der Materie des bürgerlichen Rechts im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuzuordnen, wenn ihre Durchsetzung durch Vorschriften des Verwaltungs-, Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts abgesichert und/oder erleichtert wird …

Rn. 115: Anders liegen die Dinge dagegen, wenn die bürgerlich-rechtliche Prägung des Mietverhältnisses durch öffentlich-rechtliche Vorschriften ganz oder teilweise verdrängt und die Auswahl der Vertragsparteien sowie die Festlegung der Vertragsinhalte durch verwaltungsrechtliche Vorgaben überlagert und etwa durch eine mehr oder weniger weitreichende Wohnraumbewirtschaftung ganz oder teilweise ausgeschlossen wird. In einem solchen Fall beruhen wesentliche Rechte und Pflichten der Mietvertragsparteien gerade nicht auf ihrer grundsätzlich privatautonom getroffenen Entscheidung über die wesentlichen Inhalte des Mietverhältnisses, sondern auf Lenkungs- und Verteilungsentscheidungen der Verwaltung. Derartige Regelungen sind selbst dann nicht dem bürgerlichen Recht zuzuordnen, wenn subsidiär oder zur Lückenfüllung auf die §§ 535 ff. BGB zurückgegriffen wird.

Rn. 179: aa) Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG in der Fassung vom 27. Oktober 1994 erstreckte sich die konkurrierende Gesetzgebung auf den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge), das landwirtschaftliche Pachtwesen, das Wohnungswesen sowie das Siedlungs- und Heimstättenwesen. Mit dem 52. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) wurde dieser Gesetzgebungstitel auf den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge), das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht beschränkt. Die in der Neufassung nicht mehr aufgeführten Gegenstände gingen in die Zuständigkeit der Länder über. Das betrifft auch das Wohnungswesen (vgl. Wittreck, in: Dreier, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 79; Degenhart, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81 f.).

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